Während Schwindel bei jüngeren Menschen meistens eine klar erkennbare Ursache hat, weist Schwindel bei älteren Menschen nicht unbedingt auf ein bestimmtes Krankheitsbild hin, sondern ist häufig das Ergebnis körperlicher Veränderungen, alterstypischer Erkrankungen und der (Neben-)Wirkungen verschiedener Medikamente. In diesen Fällen sprechen Mediziner von Altersschwindel. Davon zu unterscheiden sind Schwindelformen, die im Alter zwar häufiger auftreten, sich aber auf einen eindeutigen Auslöser zurückführen lassen.
1. Altersschwindel
Wie unter “Was ist Schwindel?” erläutert, müssen die drei Sinnessysteme, die für unser Gleichgewicht zuständig sind, perfekt aufeinander abgestimmt sein und sehr präzise arbeiten, damit wir uns sicher und schwindelfrei bewegen können. Doch auch die Sinnesorgane sind dem Alterungsprozess unterworfen.
Körperliche Veränderungen
- Gleichgewichtsorgane im Innenohr
Im Alter lässt die sensorische Leistung der Gleichgewichtsorgane im Innenohr nach. Altersschwindel und Altersschwerhörigkeit beruhen daher auf ähnlichen Mechanismen. Die schlechtere Durchblutung des Innenohrs, eine langsamere Nervenübertragung und die schlechtere Reizverarbeitung im Gehirn können zu Schwank- und Drehschwindel, Benommenheit oder Gangunsicherheit führen. - Augen
Altersbedingte Veränderungen am Auge haben oftmals Einschränkungen im räumlichen Sehen zur Folge. Verschlechtert sich die visuelle Kontrolle durch Augenerkrankungen wie dem grauen oder grünen Star, Makuladegeneration oder eine durch Diabetes hervorgerufene Erkrankung der Netzhaut kann das die Schwindelsymptome noch verstärken. - Muskeln und Gelenke
Durch die Abnahme von Muskelmasse und Muskelkraft, eine geringere Reaktionsfähigkeit sowie schlechtere Koordination und Kondition ist auch die Tiefen- und Oberflächenwahrnehmung gestört, was Schwindelgefühlen ebenfalls Vorschub leisten kann und zusätzliche Unsicherheit hervorruft.
Alterstypische Erkrankungen
Auch bestimmte Krankheiten, die im Alter gehäuft auftreten, können die Funktion des Gleichgewichtssystems beeinträchtigen. Dazu gehören, wie bereits erwähnt, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, zu hoher oder zu niedriger Blutdruck, Stoffwechselstörungen, Gefäßerkrankungen, Diabetes mellitus, Multiple Sklerose, Parkinson oder auch kognitive Störungen wie eine Altersdemenz.
(Neben-)Wirkungen von Medikamenten
Weil viele ältere Patienten unter mehreren chronischen Erkrankungen leiden, müssen sie dauerhaft Medikamente einnehmen. Eine Tablette gegen Gelenkschmerzen, eine zur Behandlung der Herzinsuffizienz und dann noch die Medikamente zur Senkung des Blutzuckerspiegels und des Augeninnendrucks – auf diese Weise kommen leicht mehrere verschiedene Wirkstoffe zusammen, die das Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen erhöhen. Addiert man die rezeptfreien Medikamente gegen Kopfschmerzen oder Schlafstörungen hinzu, von denen der behandelnde Arzt oftmals gar nichts weiß, ergibt das eine im wahrsten Sinne des Wortes schwindelerregende Anzahl an Arzneimitteln.
Besonders gravierend können die Wechselwirkungen von verschiedenen Medikamenten sein, die auf das vegetative Nervensystem wirken und sogenannte anticholinerge Effekte haben. Dazu gehören Symptome wie Mundtrockenheit, Verstopfung, Sehstörungen und Steigerung der Herzfrequenz. Durch Wechselwirkung mehrerer solcher Wirkstoffe kann sich ein anticholinerges Syndrom mit Schwindel, Sehstörungen, Verwirrtheit und Kreislaufinstabilität ausbilden.
2. Andere Schwindelformen im Alter
Ein typisches Beispiel für Schwindel, der im Alter zwar gehäuft auftritt, im Unterschied zum Altersschwindel jedoch eine eindeutige Ursache hat und dessen Symptome in der Regel exakt beschrieben und zugeordnet werden können, ist der gutartige Lagerungsschwindel. Durch verrutschte Ohrsteinchen im Innenohr erhält das Gehirn verwirrende Signale, was bei den Betroffenen heftige Schwindelattacken auslöst. Einfache Übungen befördern die Ohrsteinchen zurück an die richtige Position in den Sinneszellen des Gleichgewichtsorgans.
Häufig übersehen werden zudem seelische Gründe, die sich hinter den Schwindelgefühlen verbergen. Dabei machen Depression, Einsamkeit, Trauer oder Angst etwa ein Drittel aller Schwindelfälle aus! Geht Schwindel mit anderen Symptomen wie Taubheitsgefühlen, Lähmungserscheinungen, neuartigen Kopfschmerzen, Sehstörungen, plötzlicher Schwerhörigkeit oder Erbrechen einher, ist unverzüglich ein Arzt aufzusuchen, da die Symptome Hinweis auf eine akute und ernste Ursache, wie z. B. einen Schlaganfall, sein können.
Welche Folgen hat das für die Betroffenen?
Wenn sich plötzlich alles dreht, der Boden unter einem schwankt, man sich schwach, unsicher und benommen fühlt, ist das nicht nur unangenehm, sondern auch gefährlich. Wer jemals mit Schwindel zu kämpfen hatte, weiß, wie wackelig man auf den Beinen ist. Daher überrascht es keineswegs, dass ein Drittel der über 65-Jährigen und sogar die Hälfte der über 80-Jährigen einmal im Jahr stürzt – mit zum Teil schwerwiegenden Folgen.
Da die Reaktionen im Alter nachlassen, ein Sturz schlechter abgefedert werden kann und die Widerstandskraft älterer Menschen geringer ist, erleiden sie häufig komplizierte Knochenbrüche – insbesondere Hüft- und Oberschenkelhalsfrakturen. In 20 Prozent der Fälle erholen sich die Betroffenen nicht mehr von den Folgen und werden zum Pflegefall. Andere ziehen sich aus Angst vor einem erneuten Sturz komplett zurück, leiden unter Einsamkeit und werden depressiv.
Rückzug bedeutet jedoch nicht nur Isolation, sondern auch Bewegungsmangel, wodurch Muskeln, Knochen und Gelenke weiter geschwächt werden. Und nicht nur das: Ohne Training büßen auch die Gleichgewichtsorgane im Innenohr ihre Leistungsfähigkeit ein. Wenn jedoch zwei der drei Sinnesorgane, die für unser Gleichgewicht sorgen, nur noch eingeschränkt funktionieren, verstärkt das zunehmend eingeschränkte Körpergefühl die Auswirkungen des Schwindels. Ohne entsprechende Therapie fallen 70 Prozent der Sturzpatienten kurze Zeit später erneut – ein Teufelskreis!